Den ganzen Sonntag bereits schüttet es bei mit dunklen Wolken verhangenem Himmel. Ungeduldig und nervös auf die Ankunft der Italiener wartend, packe ich noch einmal meine Laufschuhe aus und trotze dem Wetter – durchs Dorf, die Klippen entlang, nur zweimal ein menschliches Gesicht sehend, als mir weitere einsame Läufer entgegenkommen. Man lächelt sich kurz an – du auch ein bissl verrückt? – dann versinken wir wieder in unsren Gedanken während der Sturm uns um die Ohren pfeift. Der Gedanke, dass ich bald ein Jahr lang kein Meer sehen werde, keine Bäume, keine Vögel, dass kein Regen mir eiskalt den Rücken hinunterlaufen wird, ist seltsam surreal. Ich bleibe ab und zu stehen, um aufs Meer rauszuschauen, um zu beobachten, wie die Wellen sich an den Klippen brechen (und um nach Luft zu schnappen, es geht permanent auf und ab).
Erst spät am Abend, die Dämmerung ist hereingebrochen, kommen sie schließlich an: Sieben Italiener für Concordia, mit ihnen eine Delegation von offiziellen Personen des PNRA. Im Halbdunkeln tapsen Coline und ich in Richtung ihrer Hütte, um Hallo zu sagen, voller Neugier, mit wem wir uns mitten in der Antarktis einsperren lassen. Sympathische Gesichter huschen eines nach dem anderen vor meinen Augen vorbei, der verzweifelte Versuch, sich diese inklusive den passenden Namen zu merken, scheitert wieder einmal spektakulär. Netterweise wiederholt jemand alle Namen noch einmal: Moreno, Marco, Mario, Marco, Alberto, Filippo, Cyprien. Wir grinsen einander unsicher an. Der erste Kontakt mit den Menschen, mit denen wir sehr bald ein Jahr auf engem Raum verbringen werden, am isoliertesten Ort, den dieser Planet zu bieten hat. Jetzt sind alle 13 beisammen.
In der darauffolgenden Woche haben wir ein intensives Kennenlernprogramm, und ebenfalls beginnen mehrere meiner Experimente – für die Baseline wird auch hier schon Blut, Urin, Speichel und Stuhl analysiert.

Die zweite Hälfte der Woche verbringen wir auf der Ile de Batz im Norden der Bretagne, wo wir zwischen weiteren Teambuilding-Übungen auch Kajak fahren, gemeinsam kochen, im eiskalten Meer schwimmen (erste Hypothermie-Erfahrungen!) und lange Spaziergänge unternehmen.

Am letzten Abend besuchen wir den botanischen Garten neben unsrer Herberge – es hat etwas Magisches, noch surrealer als mein letzter Lauf am Meer entlang: hier, am nördlichen Ende von Frankreich, wachsen tropische Pflanzen, Palmen, Araukarien, Kakteen. Harmonisch und liebevoll gestaltet, der salzige Geruch des Meeres mischt sich mit dem der spät blühenden Pflanzen, sodass wir ganz von alleine ein Lächeln im Gesicht haben.

Am nächsten Tag verabschieden wir uns am Flughafen, und ich blicke in zuversichtliche Gesichter. Die Woche ist gut verlaufen, unsere Vortragenden sind zufrieden mit der Gruppendynamik, wir sind entspannt von den Tagen auf der Insel – der antarktische Winter kann kommen. Bring it on.
